Fortschritt ist also nicht bloß Wandel – der ja auch eine bloß kausale Abfolge von Ereignissen sein könnte – und auch nicht schlicht der als solcher normativ unbestimmte Vorlauf auf das Gute. Vielmehr ist Fortschritt eine bestimmte Art von Lern- oder Erfahrungsprozess. Fortschrittlichkeit ist dessen besondere Qualität. Wenn dem aber so ist, dann kann man die normativen Maßstäbe für den Fortschritt gar nicht ohne Bezug auf die Form dieses Wandels ausweisen. Nicht jede Art von Wandel ist fortschrittlich, das ist trivial. Nicht trivial ist aber, dass sich die Fortschrittlichkeit des Wandels nicht an seinem Ziel bemisst – etwa dass er auf Wohlstand oder soziale Gerechtigkeit gerichtet ist –, sondern an seiner Qualität selbst. Fortschrittlich ist dann eine bestimmte Art des Wandels, nämlich eine solche, die man als sich anreichernden Lern- oder Erfahrungsprozess bezeichnen kann. Wenn andererseits manche Arten des Wandels als regressiv gelten können, dann deshalb, weil sie gekennzeichnet sind von Effekten des Verlernens und der reaktiven Abschottung gegen Erfahrungen. Wenn aber Fortschritt, kurz gesagt, nicht nur die Richtung einer Bewegung markiert, sondern auch ihre Qualität, dann eröffnet sich die Möglichkeit einer immanenten Bewertung der Fortschrittsbewegung, die keinen a priori gesetzten Maßstab benötigt. Fortschritt hat dann nicht nur einen eigenen normativen Gehalt (so wie eben auch das Lernen oder die, mit einem Lieblingsbegriff Adornos gesagt, „unreduzierte Erfahrung“ einen solchen hat). In diesem normativen Verständnis von Fortschritt zeigt sich vielmehr auch, dass es sich um eine andere Art von Normativität handelt, als diejenigen im Blick haben, die den Fortschritt für eine gegenüber der Bestimmung des Guten derivative Größe halten und deshalb externe Kriterien an ihn herantragen müssen. Es geht also um mehr als nur um die Umkehrung der Prioritäten. Durch diese verändert sich das Verständnis von Normen und der Art und Weise, wie Normen wirken und begründet werden können, selbst., Wenn Menschen ausserhalb der westlichen Welt das Wort «Fortschritt» hören, klingt in ihren Ohren womöglich so etwas wie Ausbeutung und Unterdrückung mit. Die einstige Fortschrittseuphorie, dass alles immer besser werde, weil wissenschaftlicher, technischer und politisch-moralischer Fortschritt ineinandergreifen, hat sich überholt., Das Gute wäre der Sollzustand, in Bezug auf den die jeweiligen Istzustände vergleichbar werden, wodurch dann eine bestimmte Bewegung als Fortschritt erkennbar wird. Damit wird vorausgesetzt, dass sich das Gute unabhängig vom Fortschritt bestimmen lässt oder dass es schon bestimmt ist, wir also schon wissen, was das Gute ist, wenn wir über .